Das Strafrecht in der TRNC

Das Strafrecht in der TRNC

Die Strafen für Straftaten sowie die Grundsätze und Verfahren für diese Strafen sind im Strafgesetz Artikel 154 und Strafprozessrecht Artikel 155 festgelegt. Die Grundrechte und  freiheiten des Menschen werden durch die Verfassung geschützt. Das Strafrecht wird in Nordzypern wie überall auf der Welt angewandt, um die Interessen der Gesellschaft zu schützen und sicherzustellen, dass Straftäter rehabilitiert und wieder in die Gesellschaft integriert werden.

Ein Verbrechen oder Vergehen (bzw. eine Straftat) ist eine Handlung, die nicht nur einer Einzelperson, sondern auch einer Gemeinschaft, der Gesellschaft oder dem Staat schadet ("ein öffentliches Unrecht"). Solche Handlungen sind gesetzlich verboten und strafbar. Eine Straftat wird auch definiert als eine Handlung, ein Versuch oder eine Fahrlässigkeit, die von einer Person in rechtswidriger Weise begangen wird. Das heißt, ein Verbrechen wird nicht unbedingt durch eine Handlung begangen, die nicht legal ist.

In einigen Fällen berücksichtigt der Gesetzgeber auch die Fahrlässigkeit und den Versuch etwas zu tun, auch wenn kein Verbrechen begangen wurde, sowie die Absicht, eine Handlung oder Fahrlässigkeit zu begehen, selbst wenn dies nicht erfolgreich ist. Jede Straftat hat ihre eigenen Grundlagen der Strafbarkeit, und jede Handlung, Vorhaben oder Unterlassung wird entsprechend den spezifischen Fakten bewertet. Anders gesagt, um als Verbrechen zu gelten, muss eine Straftat sowohl allgemeine als auch die im Gesetz beschriebenen spezifischen Straftatbestandsmerkmale aufweisen, die je nach Art der Straftat unterschiedlich sind. Die vorgeschriebenen Strafen und die für die Feststellung des Straftatbestands erforderlichen Grundlagen sind in dem Gesetz, das die Straftat regelt, festgelegt. Das Gericht entscheidet über das Vorliegen dieser Elemente.

Was ist der Unterschied zwischen schweren und leichten Straftaten?

In Artikel 154 des Strafgesetzes wird zwischen schweren Straftaten (Verbrechen) und leichten Straftaten (Vergehen) unterschieden. Um zu verstehen, ob es sich bei einer rechtswidrigen Tat ein Verbrechen oder Vergehen handelt, muss man das Gesetz heranziehen, das die Straftat regelt. In vielen Artikeln wird angegeben, ob es sich bei der rechtswidrigen Tat um ein schweres Verbrechen oder ein geringfügiges Delikt handelt. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen dies nicht festgelegt ist, und dann kommt es darauf an, welche Strafe das Gesetz vorsieht: Ist für eine Straftat eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren oder mehr vorgesehen, so handelt es sich um ein schweres Verbrechen; wenn eine Freiheitsstrafe von weniger als 3 Jahren vorgesehen ist, handelt es sich um ein Vergehen.

Welche Strafen können die Gerichte der TRNC verhängen?

Im Bereich des Strafrechts denkt man bei den Strafen, die das Gericht verhängen kann, zunächst an Haftstrafen und Geldstrafen. Das Gericht hat dabei jedoch viele Möglichkeiten und einen großen Ermessensspielraum. Wenn das Gericht in der Strafgerichtsbarkeit tätig ist, müssen die Strafen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Das bedeutet, verschiedene Angeklagte, die wegen derselben Straftat verurteilt werden, müssen möglichst ähnliche Strafen erhalten. Grundsätzlich muss jede Strafe individuell verhängt werden. Dazu ist es notwendig, jede Straftat nach ihren eigenen Faktoren zu bewerten und die erschwerenden und mildernden Umstände für den Angeklagten zu berücksichtigen. Auch wenn es unvermeidlich ist, dass Urteile unterschiedlich ausfallen, sollte durch Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Strafen Ungerechtigkeit vermieden werden. In Artikel 154 des Strafgesetzes werden die Strafarten erläutert, die das Gericht verhängen kann.

i. Freiheitsstrafe: Wie bereits erwähnt, kann das Gericht bei schweren Straftaten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und mehr verhängen, bei geringfügigen Straftaten eine Freiheitsstrafe von weniger als drei Jahren. Für Verbrechen wie Totschlag und Mord können lebenslange Haftstrafen verhängt werden.

ii. Geldstrafen: Das Gericht ist befugt, eine Geldstrafe anstelle einer Freiheitsstrafe zu verhängen, je nach Art der Straftat. Geldstrafen können jedoch auch zusätzlich zu Freiheitsstrafen verhängt werden. Unter einer Geldstrafe ist jeder Betrag zu verstehen, der in einem Strafverfahren für die Einziehung einer Geldbuße, einer Kaution oder einer Bürgschaft gemäß den zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften festgesetzt wird. Weiterhin die Zahlung einer Entschädigung an eine Person, eines Verlusts, einer Schadensersatzleistung oder sonstiges; die Kosten für die Durchführung der Anklage.[2]

iii. Entschädigungszahlung: Das Gericht kann eine Entschädigung durch eine Person anordnen, die der Richter für schuldig befindet. Die Entschädigung ist eine Geldstrafe wie oben beschrieben. Im Allgemeinen ist eine Entschädigung zur Wiedergutmachung für das Opfer bestimmt, doch ziehen es die Strafgerichte vor, häufig keine Entschädigung anzuordnen. Das liegt daran, dass das Opfer seinen Schaden vor dem Strafgericht beweisen muss, um die Entschädigung zu erhalten, wodurch die Strafgerichte eine höhere Arbeitsbelastung haben. In der Praxis wird die Entschädigung daher in einem separaten Zivilverfahren eingefordert.

iv. Stellung einer Garantie oder Bürgschaft oder Hinterlegung einer Sicherheit in bar zum Schutz von Ruhe und Ordnung und zur Wahrung der guten Sitten.

Das Gericht kann anordnen, dass eine Person zum Schutz von Ruhe und Ordnung und zur Wahrung der guten Sitten eine Garantieerklärung abgibt oder eine Kaution hinterlegt. Diese Sicherheitsleistung kann anstelle der zu verhängenden Strafe, zusätzlich zu dieser Strafe oder Hinterlegung von Bargeld gefordert werden. Wenn eine Person, die Forderungen nicht erfüllt, kann sie in Haft genommen werden, bis diese erfüllt sind. Diese Haft darf jedoch ein Jahr nicht überschreiten und nicht länger sein als die Gesamtdauer der Haft, die gegebenenfalls mit der Freiheitsstrafe verbunden ist.

v. Unter Aufsicht stellen: Die Person, gegen die ein Haftbefehl ergangen ist, wird freigelassen, muss aber, sofern das Gericht nichts anderes anordnet, mindestens einmal im Monat den zuständigen Mitarbeiter der Polizei aufsuchen. Dieser Betreuer ist befugt, die Tage dieses Treffens zu bestimmen. Nach Artikel 34 des Gesetzes ist die Anordnung der Haft nur bei Personen möglich, die wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren verurteilt wurden, sowie bei Personen, die zum zweiten Mal wegen einer solchen Straftat verurteilt wurden.

Abläufe nach der Festnahme

Nach unserer Verfassung muss eine vorläufig festgenommene Person innerhalb von 24 Stunden dem Gericht vorgeführt werden.[3] Ebenso müssen die Angehörigen des Verdächtigen über den Umfang der Ermittlungen informiert werden, mit Ausnahme der Fragen, die die Sicherheit der Ermittlungen betreffen.[4] Die Person muss so schnell wie möglich nach ihrer Festnahme auf die Polizeiwache gebracht werden.[5] Die Verpflichtung, innerhalb von 24 Stunden dem Gericht vorgeführt zu werden, gilt dann für die Verdächtigen, die nicht entlassen werden. Ein Beschuldigter kann somit freigelassen werden, ohne innerhalb von 24 Stunden dem Gericht vorgeführt zu werden, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind oder er als unschuldig gilt. Bei Verdächtigen, die nicht entlassen werden, wird die Festnahme oder Verhandlung innerhalb von 24 Stunden dem Gericht vorgelegt und weitere Inhaftierung beantragt. Gemäß Artikel 16 (7) der Verfassung und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann das Gericht einem Verdächtigen, der mit einem Antrag auf Haftbefehl vor Gericht gestellt wurde, eine zusätzliche Haftzeit von höchstens acht Tagen geben, wobei die Gesamtdauer drei Monate ab dem Zeitpunkt der ersten Haft nicht überschreiten darf. Eine Person, für die ein Antrag auf zusätzliche Haftzeit vor Gericht gestellt wurde, kann gegen den Antrag Einspruch erheben, ggf. über einen Anwalt. Um mit dem Antrag auf zusätzliche Inhaftierung Erfolg zu haben, muss die Staatsanwaltschaft nachweisen, dass ein begründeter Verdacht besteht, dass eine Straftat begangen wurde, dass der Beschuldigte diese Straftat begangen hat, dass die Ermittlungen zu der Straftat noch nicht abgeschlossen sind und dass der Beschuldigte im Falle seiner Freilassung die Ermittlungen beeinträchtigen könnte.In dieser Phase kann die Staatsanwaltschaft ihre Zeugen vor Gericht verhören, und der Beschuldigte selbst oder sein Anwalt kann Zeugen ins Kreuzverhör nehmen. In der Praxis ist es für den Beschuldigten oft sehr schwierig, innerhalb der ersten 24 Stunden freigelassen zu werden, insbesondere bei Straftaten, die der Beschuldigte in seiner ersten Aussage nicht einräumt oder die nicht als geringfügiges Delikt gelten, da die Ermittlungen innerhalb der ersten 24 Stunden möglicherweise nicht abgeschlossen sind. Jeder Fall hat jedoch seine eigenen Besonderheiten, so dass die Zeit bis zur Freilassung unterschiedlich ist.

Sicherungsphase

Die Verdächtigen werden in der Regel zur Sicherung der Ermittlungen festgenommen. Es wird also davon ausgegangen, dass der Beschuldigte keinen Einfluss auf die Beweise und die Zeugen hat. Sind die Ermittlungen eines Verdächtigen abgeschlossen, so kann er nicht länger in Untersuchungshaft gehalten werden. Der Beschuldigte kann jedoch als nicht verurteilter Häftling für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten ins Gefängnis kommen, damit er sich nicht der Strafverfolgung entzieht, und um sicherzustellen, dass er vor Gericht erscheint.

Der Beschuldigte kann gegen eine angemessene Sicherheitsleistung durch Hinterlegung von Wertpapieren, Bargeld oder beidem freigelassen werden, damit er bei der Vernehmung anwesend sein kann. Das Gericht verfügt dabei über einen weiten Ermessensspielraum. Das Gericht bewertet die persönliche Situation des Beschuldigten, das Vorhandensein eines Rechtsstatus im Land, die Art und Schwere der ihm zur Last gelegten Straftat und ob ein begründeter Verdacht gegen den Beschuldigten besteht die Straftat begangen zu haben, ebenso wie die Personen, die für den Beschuldigten bürgen. Sollte der Beschuldigte nach seiner Freilassung fliehen, so sind die Bürgen zur Zahlung des von ihnen unterzeichneten Kautionsbetrags verpflichtet. Daher müssen die Sicherheitsgeber Staatsbürger der TRNC sein, den Kautionsbetrag aufbringen und ihre Immobilien als Sicherheiten vorweisen, sofern sich diese in der TRNC befinden. Wenn das Gericht zustimmt, dass eine Kaution für den Angeklagten gestellt werden soll, kann es folgende Bedingungen anordnen:

  1. Der Verdächtige bzw. Beschuldigte wird für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten inhaftiert, bis die Anhörung stattfindet.
  2. Der Reisepass des Verdächtigen bzw. Beschuldigten verbleibt bei der Polizei, und es besteht ein Ausreiseverbot aus der Türkischen Republik Nordzypern für einen bestimmten Zeitraum.
  3. Die Freilassung des Angeklagten oder Verdächtigen in Verbindung mit der Hinterlegung von Bargeld, der Kaution oder beidem durch eine oder mehrere in der Türkischen Republik Nordzypern wohnhaften Personen, je nachdem, was das Gericht für angemessen hält.
  4. Der Verdächtige bzw. Beschuldigte muss sich in einem bestimmten Gebiet aufhalten und darf dieses nicht ohne Erlaubnis verlassen;

Wenn das Gericht es für angemessen hält, kann der Verdächtige bzw. Beschuldigte dazu verpflichtet werden, sich persönlich bei einer vom Gericht bestimmten Polizeidienststelle zu melden.[6]

Wenn eine dieser Bedingungen zutrifft, wird angeordnet den Verdächtigen gegen Sicherheitsleistung freizulassen. Je nach Anordnung ist eine Hinterlegung in Bargeld, Wertpapieren oder eine Bürgschaft von geeigneten Personen nötig, um die Voraussetzungen zu erfüllen und bis zur Verhandlung freigelassen zu werden. Ein Verdächtiger, der die Sicherheitsauflagen noch nicht erfüllt hat, wird bis zur Verhandlung des Falles in eine Haftanstalt eingewiesen. Die Sicherheitsauflagen werden zwischen der Staatsanwaltschaft und den Anwälten des Verdächtigen verhandelt. Einigen sich die Parteien auf die Bedingungen für die Sicherheitsauflagen, so setzt das Gericht diese in der Regel um, ist dazu aber nicht verpflichtet. Werden sich die Parteien nicht einig, d.h. die Staatsanwaltschaft möchte den Beschuldigten in Untersuchungshaft nehmen, und der Anwalt des Verdächtigen möchte die Haft vermeiden, so muss eine Anhörung vor Gericht stattfinden. Im Anschluss an diese Anhörung entscheidet das Gericht, ob der Beschuldigte gegen Sicherheiten freigelassen wird.

[1] Hasan Sözmener, Criminal General and Criminal Procedure Law Act (Straf- und Strafprozessrecht) (2014) Band 1, Seite 22

[2] Kapitel 154 Strafprozessrecht, Artikel 2

[3] Verfassung der TRNC, Artikel 16 (6)

[4] Artikel 16 der Verfassung der TRNC (4)

[5] Kapitel 155, Artikel 13

[6] Kapitel 155, Strafprozessrecht, Artikel 23 A

  • Gürkan&Gürkan
  • April 2019